Schweizer entdeckt die Liebe zum Dudelsack

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Am 10. März feiern Dudelsackspieler in aller Welt den „Internationalen Dudelsack-Tag“. Einer, der sich weitab von Schottland in das Instrument verliebte, ist der Schweizer Thomas Schönholzer. Auslöser seiner Leidenschaft sind ein Film und ein Gänsehautmoment.

„Der Dudelsack und Schottland – das ist eine Leidenschaft von mir“, sagt Thomas Schönholzer aus Solothurn ntv.de. Im August 2019 reiste er das erste Mal nach Schottland, seinen Dudelsack hatte er natürlich im Gepäck. Auf Fotos kann er sich heute anschauen, wie er im Kilt am Sandstrand in einer Bucht unweit von John o‘ Groats entlangläuft und das Instrument spielt.

„Wenn ich mich in Schottland in der Natur bewege, dann kommt es mir so vor, als wäre ich auf einem eigenen Planeten, in einer anderen Welt. Ich vergleiche es ein wenig mit dem Auenland aus ‚Herr der Ringe'“, erzählt Schönholzer, der in der Schweiz als Sozialpädagoge arbeitet. Für ihn selbst hat sein Spiel „etwas Ehrfürchtiges“, und man merkt, wie sehr es ihn hat, „die mystisch-kraftvollen, wunderschönen und meist traurigen Klänge des Dudelsacks“ in Schottland spielen zu dürfen. „Das war schon immer mein Traum“, schwärmt Schönholzer.

Schon als kleiner Junge war er fasziniert vom Dudelsack und Schottland. „Mit dem Spielfilm ‚Braveheart‘ bin ich groß geworden, und so wurde für mich William Wallace zum Volkshelden.“ Später hat er sich dann auch inhaltlich mit der schottischen Geschichte beschäftigt, dabei wurde ihm „mehr und mehr klar, wie ich die Wildheit und Stärke dieses Volkes liebe“, erinnert sich Schönholzer. Die Melodien und Instrumente der Geächteten gehörten für ihn immer zu dieser Geschichte „und lösten schon als Kind große Gefühle bei mir aus“.

Gänsehaut bei „Scotland the Brave“

Als vor gut sieben Jahren sein Vater 55 Jahre alt wurde, kam er auf die Idee, ihm ein besonderes Geschenk zu machen. Weil er wusste, dass auch sein Vater Dudelsackmusik liebt, machte er sich auf die Suche nach Musikern, die am Geburtstag seines Vaters für ihn und seine Gäste spielen könnten. „Es war ein 20. Dezember und eisigkalt, im Schnee kamen sie auf unser Haus zu und spielten ‚Scotland the Brave‘ – in diesem Moment bekam ich eine Gänsehaut. Ich konnte meine Gefühle nicht zügeln und musste vor Freude und Glück weinen“, gesteht Schönholzer.

GESCHICHTE DER SACKPFEIFE

In Mitteleuropa war die „Sackpfeiff“ seit dem 16. Jahrhundert weit verbreitet. Im Frankreich des 18. Jahrhunderts wurde der Dudelsack in der höfischen Kultur als Hirteninstrument geschätzt. Auch an vielen deutschen Fürstenhöfen sind verschiedene Sackpfeifentypen nachweisbar.

Im 19. Jh. ging die Nutzung der Sackpfeife in Mitteleuropa stark zurück. Aber in Großbritannien und besonders Schottland hielten sich Dudelsäcke im Rahmen der Militärmusik bis ins 20. Jahrhundert hinein. Seit etwa 50 Jahren ist das Interesse an Dudelsäcken in Europa neu erwacht. Sie gelten als Zeichen von Tradition und regionaler Identität und werden gerne auf Mittelalterfesten und -märkten oder Festivals gespielt.

Die zwei Spieler hätten damals mit Wind und Wetter regelrecht gekämpft, da der Dudelsack ein sehr „launisches Instrument“ sei und sensibel auf Temperaturschwankungen reagiere. Oft klinge das Pfeifen dann „grässlich“ und sei für Spieler und Zuhörer „schlimm zu ertragen“. Am Ende des kleinen Geburtstagskonzertes fragten die Künstler, ob sich jemand der Gäste einmal am Dudelsack versuchen möchte – und Schönholzer nutzte die Gelegenheit.

„Ich durfte erstmals dieses für mich beinahe heilige Instrument in die Hand nehmen“, erzählt er. Meistens bekomme man beim ersten Versuch keinen Ton heraus. Doch bei Schönholzer war es anders. Mit voller Kraft füllte er das Bag, den Sack, mit Luft, und die drei Drones fingen an zu brummen. „Danach habe ich mit meinem Ellenbogen den Sack gepresst und tatsächlich habe ich es geschafft, dass sogar der Chanter, die Flöte, ein paar quietschige Töne von sich gegeben hat“. Einer der Dudelsackspieler war überrascht und spielte erneut „Scotland the Brave“. „Damit war es um mich geschehen. Ich hatte mich in das Instrument verliebt.“

Training für die Mundmuskulatur

Er müsse wohl Talent haben, meinten die zwei Piper und fragten ihn, ob er nicht das Dudelsackspielen lernen möchte. Bereits eine Woche später begann Schönholzer mit dem Unterricht – zuerst auf einer Übungsflöte, dem sogenannten „practice chanter“. „Ich habe schon gemerkt, wie einfach mir das Spielen fällt. Meine zwei Lehrer haben mir zusätzlich versucht Noten beizubringen. Aber ehrlich: Ich kann bis heute keine Noten lesen“.

Nach einem Jahr hatte er langsam genug Fingerfertigkeit, um auf der „Great Highland Pipe“ zu spielen. „Es braucht viel Luft, die Mundmuskulatur muss trainiert werden, und auch ein wenig Koordination und vor allem Geduld. Wer ein Stück beherrscht, muss auch noch lernen, dabei zu gehen“, erklärt Schönholzer, der in seinem Heimatland vor allem bei Hochzeiten, Geburtstagen und anderen Festen auftritt. „Das Alphorn passt wunderbar zum Dudelsack – man kann beides verbinden“, sagt er lachend.

Am liebsten spielt Schönholzer mit geschlossenen Augen, verrät er noch. „Natürlich mit ganz vielen Fehlern, aber mit umso mehr Freude und Herz. Ich fühle die Musik und ich spüre den Rhythmus. Wenn ich in der Schweiz zu einer Burgruine fahre und dort Musik für mich alleine spiele, dann befördert mich das in eine andere Welt, in eine andere Zeit mit anderen Werten und Gesetzen“. Auch wenn es natürlich Spaß mache, in einer Gruppe zu spielen, und ihm das manchmal fehle, ist er gerne Solomusiker. An Marschmusik hätte er zum Beispiel nie Freude gehabt, erklärt Schönholzer. „Was mich berührt sind sanfte, melancholische Tunes. Das war auch der Grund, warum ich angefangen habe, alleine Musik zu machen. So kann ich spielen, was ich will, und muss mich nicht unterordnen“. Genauso wie am wilden Ozean im Norden von Schottland.

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