Inspiration durch Regina Jonas

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Eine Pionierin: Rabbinerin Regina Jonas. (Foto: Wikipedia / OgreBot)

Regina Jonas wurde vor 75 Jahren in Auschwitz ermordet, ist aber nicht vergessen. Die erste Rabbinerin Deutschlands und weltweit inspiriert Frauen noch immer. Ihr Name und Einfluss reichen bis in die heutigen Tage – und schaffen Empowerment.

Bei einem Besuch in Deutschland sitzt Katharina von Kellenbach in einem Berliner Café und erzählt, wie sie sich vor über drei Jahrzehnten  einer anderen jungen Frau vorgestellt hat:

„Als eine deutsche junge Theologin, die Pfarrerin werden möchte und meine Nachbarin Joana Katz meinte, sie würde ebenfalls Theologie studieren und Rabbinerin werden. Worauf ich gesagt habe: Das gibt es nicht. Es gibt keine Rabbinerinnen. Worauf sie gesagt hat: Du kennst deine deutsche Geschichte nicht. Die erste Frau wurde in Berlin ordiniert und ihr Name war Regina Jonas.“

„Regina Jonas war ansonsten nicht bekannt“

Es ist eine Episode aus ihren frühen Studienjahren in den USA. Sie war gerade neu an der Uni in Philadelphia.

„Aber es war nicht nur meine eigene Unwissenheit als nichtjüdische Deutsche. Sondern tatsächlich: Regina Jonas war ansonsten nicht bekannt“, gesteht Katharina von Kellenbach, die heute als Professorin für Religiöse Studien am St. Mary’s College of Maryland arbeitet.

Ihre damalige Unwissenheit nutzte sie wissenschaftlich-kreativ: „Ich habe das damals als eine Art Reparationsleistung gesehen, dass ich das Andenken einer der sechs Millionen, deren Andenken ausgelöscht wurde, der Vergessenheit entreiße. Ich habe deswegen auch alle Materialien die ich gesammelt hatte, an Elisa Klapheck übergeben. Und das ist im Wissenschaftsbereich nicht unbedingt üblich. Es war auch ein gewisses Opfer, also alles was mein war, ihr dann zu übergeben und zu sagen: Du veröffentlichst das jetzt. Und das hat sie auch gemacht und ich fand das auch richtig, dass das Buch dann unter Elisa Klaphecks Name erschien“.

Beiweis für ordentliche Ordination

Die heutige Frankfurter Rabbinerin Elisa Klapheck brachte vor zwei Jahrzehnten zwei Bücher über Regina Jonas auf den Markt. Viele Informationen verdankt sie Katharina von Kellenbach, denn sie traf in den USA Zeitzeugen, die Regina Jonas noch persönlich kannten.

„Es ging mir darum zu beweisen, dass sie als Rabbinerin tatsächlich ordiniert war“, sagt sie. „Dass sie nicht nur studiert hatte, sondern dass sie nach dem Studium auch tatsächlich eine Ordination, eine Smicha erhalten hat. Es gab einige ihrer männlichen Kollegen in Cincinnati, die behauptet haben, ja sie war unsere Kommilitonin und sie hat mit uns studiert, aber Ordination ist völlig ausgeschlossen. Und dann hat Max Dienemann ihr so eine Privat-Smicha gegeben. Aber das galt nicht. Und sie war nicht anerkannt. Und sie hat nicht gepredigt. Und dies zu widerlegen, das war mein Ziel.“

Und Frau Professorin von Kellenbach zählt die Fakten auf: „Sie wurde 1935 ordiniert und 1938 nach dem Novemberpogrom sind ganz viele Rabbiner ausgewandert und ins Exil gegangen. Das bedeutete, dass ganz viele Stellen verwaist waren. Sie hat sich hier in Berlin einen Namen als Predigerin gemacht. Und dann hat sie auch in Seniorenheimen Krankenhausseelsorge, Altersheimseelsorge, da war sie offiziell angestellt. Aber inoffiziell wurde sie natürlich auch eingeladen um zu predigen. Wenn man sich überlegt November 1938 bis sie dann deportiert wurde 1942 – sind immerhin auch vier Jahre. Und das war eine Zeit, wo sie über Berlin hinaus ganz viel als Rabbinerin gearbeitet hat.“

Vorbild für viele Frauen seit jeher

Regina Jonas war schon damals ein Vorbild für junge Frauen.

Frau von Kellenbach erhielt Briefe von Zeitzeuginnen in denen stand: „Und sie war so ein Vorbild für mich und ich dachte mir, wenn sie Rabbinerin sein kann, dann kann ich auch – Kantorin in diesem einen Fall – die mir da schrieb – dann kann ich das auch. Also diese Wirkung hatte sie. Wobei Regina Jonas ja keine Reformfrau war, sondern im Grunde genommen als konservativ-Masorti bezeichnet werden würde.“

Genauso wie Rabbinerin Nitzan Stein-Kokin: „Regina Jonas war so Anfang 40, als sie in Auschwitz ermordet wurde. Für mich hat das einen ganz persönlichen Bezug, weil ich auch so gerade Anfang 40 bin und ich hoffe, dass ich im seelischen oder im persönlichen in ihre Fußstapfen treten kann.“

Eine moralische Instanz

„Masórti“ ist eine traditionelle, aber nicht orthodoxe Strömung im Judentum. Bei Karlsruhe geboren, ist Nitzan Stein-Kokin nach ihrer Ordination vor zwei Jahren erst einmal wieder in die USA zurückgekehrt. Sie ist eine der Erbinnen von Regina Jonas, der ersten Rabbinerin der Welt. Während der Schoa spricht Regina Jonas in Theresienstadt ihren Mitgefangenen Mut zu.

„Ich bin sehr, sehr stolz Rabbinerin in der Synagoge zu sein, an der auch Regina Jonas gewirkt hat. Schon bevor ich Rabbinerin wurde, war sie für mich dieses leuchtende Vorbild und dann hier in einem gewissen Sinn ihre direkte Nachfolgerin zu sein – sind sehr große Fußstapfen, aber ich bemühe mich sie zu füllen“, sagt Rabbinerin Gesa Ederberg.

Heute gibt es unter den gut 30 Mitgliedern in der Allgemeinen Rabbinerkonferenz in Deutschland im Zentralrat der Juden sieben Rabbinerinnen. Sie gehören sowohl sogenannten Einheitsgemeinden an als auch liberal-progressiven Gemeinden an.

Aller Unkenrufe zum Trotz

Dank Regina Jonas, ist die Ordination von Frauen zur Rabbinerin seit Jahrzehnten üblich. Aber dass es in Deutschland aktuell nur sieben Gemeinde-Rabbinerinnen gibt, hat seine Gründe. Offensichtlich tun sich immer noch viele jüdische Gemeinden mit einer Frau im geistlichen Amt schwer.

Rabbinerin Stein-Kokin: „Manche der Argumente gegen Frauen im Rabbinat sind immer noch dieselben, auch nach 80 Jahren. Ja sie ist ein Vorbild auch in der Hinsicht, dass sie das Lernen, das Studium der Texte sehr ernst genommen hat. Diese Beharrlichkeit, mit der sie ihr Ziel verfolgt hat, ist für mich ein Vorbild und es gibt mir Mut auch in der deutsch-jüdischen Landschaft heute zu sagen, es wird sich ein Weg finden.“

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