John o’Groats Am nördlichsten Punkt des britischen Festlands

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Naturfans geraten über den Norden Schottlands ins Schwärmen. Aber auch für Geschichts-Interessierte gib es dort viel zu erleben und zu bestaunen. Und in John o’Groats in den Highlands kann man seine Nächte auf dem nördlichsten Zeltplatz des britischen Festlandes verbringen.

„Innerhalb von elf Monaten bin ich das vierte Mal in Schottland. Ich bin letztes Jahr im August das erste Mal in Schottland gewesen und das hat mich dermaßen infiziert, dass ich seitdem weiß, was Heimweh ist“, sagt Karla aus Recklinghausen.

Die Zootierpflegerin erklärt, was an Schottland so toll ist: „Die Gegend, man kann sich hinsetzen, wo man möchte. Wenn die Aussicht langweilig wird, dreht man sich um 15 Grad hat die neue Aussicht und hat wieder eine halbe Stunde Spaß. Man muss sich gar nicht viel bewegen. Es ist einfach eine riesige Postkarte.“

Und dann gerät die Naturfreundin ins Schwärmen, wenn sie von ihren Erlebnissen mit Tieren in freier Wildbahn erzählt: „Moorhühner – es gibt kaum was Lustigeres als Moorhühner. Die Bücher und die ganzen Filme sind nicht übertrieben und die Spiele: Die sind so doof. Die sind wirklich sensationell dämlich. Aber süß. Rothirsche ohne Ende. Sikahirsche. Vögel – in allen Formen, Farben und Variationen. Delfine habe ich auch schon gesehen. Bei den Puffins war ich, bei den Papageitauchern, die sitzen einem fast auf dem Schoß.“

Die Schotten sind hilfsbereit und freundlich

Aber nicht nur die Natur ist für Karla so reizvoll, sondern auch: „Die Menschen sind absolut nett, absolut hilfsbereit, da habe ich schon die tollsten Erlebnisse gehabt. Ich habe in Glasgow nachts einen Bürgersteig gerammt, so eine Verkehrsinsel. Man hat sofort gemerkt, der Reifen ist hinüber. Ich war froh, dass es nur der Reifen war. Steh neben dem Auto. Schau mir das Auto so an und denk gut, so jetzt bleibst du einfach so stehen, bis morgen früh und guckst dir dann morgen den Mist an.

Ich war innerhalb von zwei Minuten zugeparkt von zwei Autos, zwei Männer steigen aus. Mit rutschte das deutsche Herz in die Hose. Ich konnte mich nicht wehren. Die Jungs hatten innerhalb von fünf Minuten meinen Reifen gewechselt. Ich konnte nichts machen. Ich konnte einfach nur die Klappe aufmachen, den Ersatzreifen rausholen und die haben meinen Reifen gewechselt, mir noch erklärt wo eine Werkstatt ist, bei der ich parken kann, wo eine Toilette ist. Und fünf Minuten später waren die beiden wieder weg. Sie mussten arbeiten – es waren Taxifahrer. Einfach so umsonst. Sie wollten absolut nichts haben, weil sie nett sind.“

Von diesen Geschichten kann Karla so einige erzählen. Die Mitfünfzigerin reist durch Schottland alleine mit ihrem Hund. Ihr Auto nutzt sie auch als Unterkunft. Sie und ihr Mops schlafen auf einem eingebauten Feldbett.

Als sie einmal ein Nickerchen am Rande der Fernstraße machte: „Auf einmal klopft die Polizei ans Fenster. Na ich denk toll, jetzt kommt das dicke Knöllchen, jetzt kommt der Ärger. Are you okay Mam or did you break down? Ne, ich habe nur geschlafen. Die beiden haben mir dazu gratuliert, dass ich so brav angehalten habe, statt weiterzufahren, so müde und haben mich noch zum nächsten Rastplatz eskortiert.“

Ein ähnlich nettes Erlebnis hatte sie auf der berühmten schottischen Insel Skye: „Hier oben stand ich im Hafen auf Skye ganz im Norden und nachts wurde mir einfach zu warm. Ich habe die Autotür aufgemacht. Zehn Minuten später stand ein Polizeiauto neben mir. Ich denk gut, jetzt gibt es wieder Ärger. Hier darfst du nicht über Nacht stehen. Nein. Die Polizistin, selber eine Deutsche, kam nur ran: Wir wollten nur wissen, ob alles in Ordnung ist. Die Autotür war offen, hätte ja auch eingebrochen gewesen sein können. War noch 20 Minuten netter Small Talk und dann waren sie wieder weg.“

Literatur regte die Reiselust an

„Mein Name ist Petra Ende. Ich komme aus Klipphausen bei Meißen und liebe Schottland.“ Warum reist Petra so gerne in die Highlands?

„Ich finde die schottische Geschichte unheimlich spannend. Bin durch ein Buch darauf gekommen. Habe meinen Mann acht Jahre lang gebettelt, dass wir mal hochfahren. Er hat immer gesagt: schlechtes Wetter. Er fährt nicht. Inzwischen ist er auch Schottland-Fan. Und wir lieben beide die Ruhe hier, die freundlichen Menschen, die wunderschöne Natur, die Tiere. Die Puffins, die Papageientaucher. Heute haben wir Robben gesehen. Möwen. Austernfischer. Hochlandrinder, Hirsche frei lebende, Schafe sowieso.“

Petra Ende, ihr Mann Dietmar und Enkelin übernachten mit ihrem Wohnmobil auf dem nördlichsten Zeltplatz des britischen Festlandes in John o’Groats. Sofort fällt die riesengroße blau-weiße Schottlandfahne im Auto auf. Frau Ende hat sich einen dicken Aktenordner zur Reisevorbereitung angelegt: „Ich kenne mich ziemlich gut aus mittlerweile, weil ich immer ein Mensch bin der sich vorbereitet. Nicht das ich zu Hause bin und sage, ach jetzt habe ich dies und das verpasst. Das passiert mir eigentlich nicht.“

Es locken Burgen, Städte, Landschaften und die Vogelwelt

Mit dem Post Code im Navi finden sie jedes Ziel. Ihre Empfehlungen gehen nicht nur in eine Richtung: „Ob man jetzt der Burgenfan oder der Tierfan oder eher der Landschaftsfan – ich find alles interessant.“

Und ihr Mann Dietmar ergänzt: „Direkt die Highlands sind für mich sehr interessant: Das Glencoe zum Beispiel hat ja eine super Geschichte mit den zwei Clans, die sich da bekriegt haben. Edinburgh, Inverness waren wir gewesen. Glasgow ist nicht ganz so toll, aber die größten Städte nehmen wir schon mit“.

Linksfahren sei für ihn kein Problem, eher das Essen mit den weichen Brötchen. Und preislich sei alles soweit okay, bis auf: „Diesel ist teurer, die Eintrittspreise in den Burgen oder überall wo man mal reingeht, da zahlt man schon richtig oder die Überfahrten auf die Vogelinseln die sind heftig – muss ich sagen. Aber – muss man halt ein bissl drauf sparen“.

Vom Zeltplatz empfiehlt sich ein schöner Spaziergang, weiß Petra Ende: „So wie ich gelesen habe, ist der nördlichste Punkt Dunnet Head – dieser Leuchtturm.“

Die Bucht der Papageientaucher

Hinter dem Leuchtturm von Dunnet Head brüten bis in den August Tausende Vögel. Limbo, ein Jugendlicher aus Brandenburg berichtet von seinen Beobachtungen an den dortigen Klippen mit Blick auf die offene See: „Ein sehr schönes Erlebnis. Hier sieht man die verschiedensten Vögel Papageientaucher, wo man einige beobachten kann bis zu den Seemöwen. Äußerst fasziniert, hier in dieser Bucht, das ist einzigartig.“

Seine sechsjährige Schwester beschreibt die Papageienvögel „ein bisschen weiß ein bisschen Schwarz und einen orangenen Schnabel haben sie. Hier fliegen auch noch sehr viele Möwen dazwischen. Könnten auch aus dem Zoo sein. Und es riecht auch ein bisschen nach Kacka und so und Schafe sind auch hier. Die Vögel riecht man natürlich auch und man sieht sie sehr gut – wenn man ein Fernrohr dabeihat. Aber mit eigenen Augen sieht man sie besser.“

Ein Schweizer Dudelsackspieler im Kilt

Thomas Schönholzer aus Solothurn läuft langsam im Kilt am Strand in einer Bucht von John o’Groats und spielt auf seinem Dudelsack. Vom Wasser schaut ein großer Seehund zu. Ein Schweizer, der so gekonnt die typisch schottischen Klänge am rauschenden Atlantik spielt, das überrascht, die zufällig anwesenden Besucher. „Das ist eine Leidenschaft von mir, der Dudelsack und Schottland. Ich und meine Frau, wir sind das erste Mal hier. Und der Dudelsack durfte natürlich nicht fehlen und jetzt sind wir 200 Kilometer gefahren, nur um hier ein bisschen Musik zu machen.“

Das Dudelsackspielen hat Thomas als Hobby in einer schottischen Band in der Schweiz gelernt, wo er bei Hochzeiten, Geburtstagen und anderen Festen auftritt. Das Erlernen des Dudelsackspielens ist nicht einfach: „Mindestens eineinhalb Jahre, bis man ein bisschen spielen kann. Ich bin jetzt im 6. Jahr und denke immer noch, dass ich noch nicht gut Dudelsack spiele“, sagt Thomas Schönholzer bescheiden.

In der Alpenrepublik arbeitet der junge Mann mit seinem langen Pferdeschwanz als Sozialpädagoge. Das Meeresrauschen, die Livemusik des Dudelsacks und der plötzlich aufgetauchte Seehund – das hat etwas Filmreifes. Für Thomas Schönholzer selbst hat es: „Etwas Ehrfürchtiges, ja es hat mich sehr berührt die Musik zu spielen“.

Einmal mit seiner original Great Highland Pipe am wilden Meer im Norden von Schottland zu spielen – damit hat sich Thomas Schönholzer einen Traum erfüllt. Zu Haus musiziert er mit anderen: „Man kann es auch verbinden – das Alphorn passt wunderbar zum Dudelsack.“ (lacht)

Ein Touristenführer mit langer Ahnenreihe

In einem kleinen Laden mit Postkarten, Souvenirs und Andenken am Hafen von John o’Groats, dort wo die Ausflugsschiffe zu den Orkney Islands auslaufen, treffen wir einen Mann, der sich wie kein Zweiter hier oben auskennt: „Mein Name ist Walter Mouit. Ich wurde hier in John o’Groats geboren. Meine Familie lebt hier seit 700 Jahren und erhielt das Land, weil meine Vorfahren dabei halfen, die Engländer aus Schottland zu vertreiben. Das Mouit-Schloß, der Stammsitz der Familie ist fünf Meilen von hier entfernt. Ich lebe und arbeite schon mein ganzes Leben hier. Mit neun Jahren half ich das erste Mal in der Tourismusbranche. Später eröffneten wir das Touristenbüro hier und die Leute fragen nach Sehenswürdigkeiten, wie Schlössern, den berühmten Klippen, die 300 Fuß hoch sind oder nach Schiffen, die sie zu den Orkney-Inseln bringen.“

Walter zählt die vielen Länder auf, woher die Touristen zu ihm und seinen Landsleuten sehr gerne kommen. Obwohl sie niemand genau zähle, sollen es über 100.000 Reisende jedes Jahr sein. Die meisten von ihnen reisen von Juni bis August an. Darunter auch viele Deutsche und natürlich Niederländer. Denn der Name des Ortes stammt von dem Holländer Jan de Groot, der 1496 die Fährrechte zu den Orkney-Inseln verliehen bekam.

Das faszinierende Ende der Welt

Warum so viele Touristen hierher kommen? Die Menschen kommen gern zu besonderen geografischen Punkten. Sie lieben das Ende der Welt. Walter schwärmt von den steilen Klippen, der unberührten Natur, die Einmaligkeiten von Flora und Fauna. Man könne hier Robben, Delfine, Haie und Wale beobachten und finde besondere, kleine, weiße Muscheln, die Reichtum, Glück und Fruchtbarkeit sichern. Und auf das schottische Wetter angesprochen, meinte er ironisch und mit einem Augenzwinkern, es sei wie die Laune der Frauen, jeden Tag anders. Aber das sei nicht ganz fair.

Um nach Schottland zu kommen, nehmen einige Reisende gern auch längere Umwege in Kauf, so wie Karla aus Recklinghausen, die dieses Jahr eigentlich Urlaub in Irland machen wollte, es sich aber dann anders überlegte: „Von Dover quer rüber durch Wales nach Fishguard. Von da aus rüber nach Irland. Da bin ich dann ungefähr 350 Kilometer die Südküste entlanggefahren und dann quer durchs Land panikartig zurück zur Fähre. Und ich musste wieder zurück, weil mein Herz schon wieder auf dem Weg nach Schottland war.“

Karla und viele andere Reisende aus Deutschland und der Welt lieben Schottland. Seine Natur, die Menschen, die Kultur, der andere Lebensrhythmus und die Freizügigkeit: „Das ist im Gegensatz zu Deutschland einfach nur Freiheit pur. Es wäre schon ein Träumchen hierzubleiben.“