Einfach mal ins Kloster gehen

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Wer sich in der Fastenzeit für einige Tage eine bewusste Pause gönnt und zum Beispiel als Gast in ein Kloster geht, sucht vor allem eines: Ruhe und Abstand vom Alltag. Religiöse Gründe spielen für viele Menschen eine Rolle – aber nicht nur.

„Klöster faszinieren mich schon immer“, sagt Isabell Logen aus Berlin. Die 52-jährige Gewandmeisterin hat sich in diesen Tagen von der quirligen Hauptstadt ins Osnabrücker Münsterland in ein Frauenkloster der Benediktinerinnen aufgemacht. Und wie eigentlich alle Gäste, die auf der mittelalterlichen Wasserburg der Grafen zu Galen oder im jenseits des Burggrabens befindlichen Gästehaus wohnen, sucht sie im Kloster auf Zeit vor allem eines: Ruhe. Bei ihr spielt aber auch noch ein beruflicher Aspekt eine Rolle. Sie interessiert sich für die Arbeit der Nonnen. Das Motto der Benediktiner – ob Mönche oder Nonnen – ist seit dem 6. Jahrhundert, als der Heilige Benedikt die bis heute gültige Klosterregel aufstellte, unverändert: „Ora et Labora“, also bete und arbeite.

Jeden Tag verbringen die Ordensleute einige Stunden im Gebet. Los geht es in Kloster Burg Dinklage von Montag bis Samstag immer um 5.45 Uhr mit den Laudes, dem Morgenlob, dem um 7 Uhr eine Heilige Messe folgt, um 12 Uhr das Mittagsgebet, um 18 Uhr die Vesper und um 20.30 Uhr Vigil und Komplett. An einigen Tagen gibt es zusätzlich eine stille Anbetung, Bibelgespräche oder den Rosenkranz, das sind im Schnitt drei Stunden täglich in der Kirche. Die Gäste dürfen immer dabei sein und die auf Deutsch oder Latein gesungenen Psalmen oder Hymnen mitsingen.

Aber auch bei der Arbeit ist die Unterstützung der Laien willkommen: etwa beim Reinigen und Putzen der Zimmer, im Garten oder bei kleineren handwerklichen Arbeiten. Wer hier hilft, zahlt in der Regel auch etwas weniger für sein Zimmer und das Frühstück, Mittagessen und Abendbrot. Das Gros der Gäste ist aber im Kloster, um sich eine Auszeit zu nehmen. Die meisten sind gern beim Stundengebet in der Klosterkirche, einer ehemaligen Scheune, dabei. Sie lauschen den Gesängen still, beten leise für sich und genießen die besondere Atmosphäre hinter Klostermauern.

Im Wortsinn in Klausur gehen

Die Menschen kommen aus ganz unterschiedlichen Gründen, viele immer wieder, so wie Christina Kumpmann. (Foto: Rocco Thiede)

Die Berlinerin Isabell Logen arbeitet in Moabit in einem Kostümverleih. Im Kloster hofft sie auch einmal einen Blick in die Paramentenwerkstatt werfen zu dürfen. Hier werden die für die Liturgie oft künstlerisch aufwendig gestalteten Stolen, Gewänder, Talare oder Kleider für bestimmte rituelle Zwecke hergestellt. Die Räume mit Webstühlen und Nähmaschinen befinden sich ebenso wie die Ikonen- oder Kerzenwerkstatt oft im für Laien unzugänglichen Teil, der sogenannten Klausur eines Klosters. Aber hin und wieder bieten auch Klöster Zugang zu diesen Räumen, etwa bei speziellen Werkstatt-Angeboten.

Nicht unüblich sind die Möglichkeiten der sogenannten Schweigeexerzitien. Dann wird auch beim gemeinsamen Essen nicht gesprochen und ein Austausch – oft mit einer Nonne – ist nur während einer bestimmten Zeit am Tag vorgesehen. Diese Gäste nach ihrer Motivation für ihren Aufenthalt zu befragen, ist während des Klosterbesuches nicht möglich, da sie in einem eigenen Raum ihre Speisen in Stille einnehmen. Aber wo kommt man mehr zur Ruhe als beim Schweigen?

„Ich komme immer wieder gerne hierher“, sagt Christina Kumpmann. Die 32-jährige Theologin von der Uni in Aachen hat vor einigen Jahren sogar ihre Dissertation im Kloster zu Ende geschrieben. „Dank des klaren Ablaufs und den festen Gebets- und Essenszeiten hatte für mich jeder Tag eine schöne Struktur und so konnte ich sehr konzentriert arbeiten. Außerdem musste ich mich nicht um tägliche Dinge wie den Haushalt oder Einkauf kümmern und fand neben der Ruhe auch reichlich Inspiration bei meiner wissenschaftlichen Arbeit.“ Dieses Jahr ist sie „mehr zum Abschalten hier und um Motivation für ihre künftigen Aufgaben im Beruf zu erhalten“. Auch aus diesem Grund besucht sie eine der Schwestern – „denn die Gespräche mit den Ordensfrauen haben mir später stets viel im Alltag geholfen“.

Nonnen sind auch Menschen

Besinnung, Ruhe und Hilfe sucht auch Johannes Krämer aus Bensheim. Der ehemalige Gymnasiallehrer für alte Sprachen, Philosophie und Geschichte hat zwei schwere Schicksalsschläge hinter sich. Vor zwei Jahren starb seine Frau und im vergangenen Jahr hatte er einen schweren Autounfall. „Das ist meine Klosterpremiere“, verrät der 75-Jährige, der den Tipp für das Kloster auf Zeit von Berliner Freunden erhielt. Seine Erwartungen hätten sich mehr als erfüllt und auch er nutzt die Zeit für Gespräche mit den Nonnen. „Ich bin zwar sehr religiös aufgewachsen, hatte aber viele Jahre keinen Kontakt mehr zu Kirche“, verrät der Doktor der Philosophie. Nun sei der Witwer aber wieder froh, dank des Glaubens Struktur und Stabilität in sein Leben bekommen zu haben. Das Kloster auf Zeit bestärkt ihn dabei auf seinem Weg.

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Die Freundinnen treffen sich bewusst im Kloster und vermissen nichts.(Foto: Rocco Thiede)

„Hier erfahre ich, was wichtig ist in meinem Leben, und finde zu mir selbst“ erläutert Brigitte Renken aus Oldenburg. Die 62-jährige Erzieherin ist nicht zum ersten Mal im Kloster. Zweimal im Jahr kommt sie mittlerweile zusammen mit zwei Freundinnen an diesen Ort, wo die evangelische Christin eines auch schnell lernte: „Nonnen sind eigentlich auch Menschen wie du und ich. Alle haben irgendwann mal einen Beruf gelernt und hatten ein Leben vor dem Kloster.“ Hier hinter dem großen blau-grauen Klostertor sei sie den Ordensfrauen auch menschlich nähergekommen. „Sie sind gar nicht so unnahbar, wie es im ersten Moment scheint.“ Einige der Ordensschwestern hätten sogar Kinder und Enkelkinder, weil sie als Spätberufene ins Kloster eintraten, als Töchter und Söhne schon aus dem Haus waren.

Ihre „kleine Auszeit“ ist auch Karin Wilts, der Freundin von Brigitte Renken, wichtig. „Ich komme hier back to my roots“, sagt die 49-jährige Kauffrau. Und die Dritte im Bunde, Susanne Bultera, schwärmt „vom Dreiklang der Natur, der Besinnung und Abstinenz hier im Kloster“. Sie arbeitet als Personalsachbearbeiterin und ist froh, einmal im Kloster „vom Digitalen wegzukommen – einmal ganz ohne Laptop und Handy zu leben“. Das geht auch gut, denn die dicken Mauern lassen kaum Funkwellen durch. Auf WLAN haben die Nonnen innerhalb ihrer Klostermauern bisher bewusst verzichtet und wer es dennoch nicht ganz lassen kann, für den gibt es vis-a-vis der Küche „ein Kabel zum Einstöpseln – aber solange ich hier war, nutzte das bisher niemand“, erzählt eine Grundschullehrerin aus Franken. Immer wieder kommen auch Menschen ohne christlichen Glauben in das Kloster auf Zeit, hat sie beobachtet, und lassen sich vom „Ora et Labora“ inspirieren.

Über die Umstände des einfachen Lebens in der alten Wasserburg freuen sich die drei Freundinnen aus Oldenburg jeden Tag. Ihr Fazit zum Abschied bringt Brigitte Renken auf den Punkt: „Gott sei Dank ist es hier nicht so kommerziell. Wir brauchen kein Wellness-Programm oder eine Sauna. Die Fastenzeit ist ausreichend und auch ein Frühling für die Seele. Das Schlichte und Einfache hilft uns beim Runterkommen und wir haben schon für das kommende Jahr unsere Zimmer hier bei der Gastschwester reservieren lassen.“

Wer sich in der Fastenzeit für einige Tage eine bewusste Pause gönnt und zum Beispiel als Gast in ein Kloster geht, sucht vor allem eines: Ruhe und Abstand vom Alltag. Religiöse Gründe spielen für viele Menschen eine Rolle – aber nicht nur.

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